Schlagwort: Kindertransport

Der Jakov Lind Lauf

Noch eher gemütlich unterwegs bei meinem Morgenlauf, ging es heute bei Sonnenschein nach Kaisermühlen.

Der als Heinz Landwirth am 10.2.1927 in Wien geborene Jakov Lind wuchs im Goethehof in Kaisermühlen auf und wurde als 11jähriger Bub mit einem Kindertransport 1938 von seinen Eltern nach Holland geschickt. Zwischen November 1938 und September 1939 gelang so etwa 10000 unbegleiteten jüdischen Kindern die Flucht vor den Nationalsozialisten. Nachdem er zwei Jahre im Untergrund in Holland lebte, fiel auch dort die Wehrmacht ein.

Aus Heinz Landwirth wurde dank falscher Papiere Jan Gerrit Overbeek. Er lebte in drei verschiedenen Kinderheimen und ebenso vielen Pflegefamilien. In Gouda wurde er in einem Hachschara-Lager auf ein Pionierleben in Palästina vorbereitet, die zwei letzten Kriegsjahre verbrachte er zuerst als Knecht auf einem Bauernhof, später als Schiffsjunge auf Rheindampfern und kurz vor Kriegsende sogar als Kurier für Görings Reichsluftfahrtministerium.

Seine nächste Station, inzwischen nannte er sich Jaakov Chaklan, war Palästina, wo er im Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte. Danach arbeitete er als Strandfotograf, Orangenverkäufer, Privatdetektiv und Übersetzer, bis er 1950 über Amsterdam und Wien nach London ging, wo er unter dem Namen Jakov Lind im Sommer lebte und arbeitete. Die Wintermonate verbrachte er im Künstlerort Deià auf Mallorca.

Großes Aufsehen verursachte sein Erzählungsband „Seele aus Holz“, wo er seine Erlebnisse während der Schoa verarbeitete. Spätere Bücher, insbesondere der Roman „Landschaft in Beton“, stießen bei Publikum und Kritik auf weniger Verständnis. Denn Jakov Linds Schreibstil hatte mit anderen Stilbegriffen kaum etwas gemein, denn er bevorzugte das Grosteske, ja sogar Vulgäre – kurz, den Schwarzen Humor.

Seit Ende der 1960er Jahre war Jakov Lind kein deutschsprachiger Autor mehr und wollte das bewusst nicht sein. „Wer meine Muttersprache sieht, weiche ihr aus oder bringe sie um, oder übersetze sie in normale Sprache noch ehe man sie ausspricht“. Der Bruch mit der deutschen Sprache war es vermutlich, dass sich seine Bücher deshalb am deutschen Lesemarkt nie durchsetzen konnten, obwohl sie von Kritikern wie Reich-Ranicki immer gelobt wurden. Anders in Großbritannien und den USA.

Die Stadt Wien würdigte den Schriftsteller erst spät. 1997 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold, in der Leopoldstadt wurde eine Straße nach ihm benannt (Die Zusatztafel, auf der nur Schriftsteller und Maler steht, ist etwas mager) und den Theodor-Kramer-Preis bekam er erst 2007. Im selben Jahr starb er in London. (https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/ironie-des-ueberlebens/ )

Der Jakov Lind Lauf: