Der Friederike Mayröcker Lauf

Der Friederike Mayröcker Lauf

Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker wäre heute 98 Jahre geworden, gestorben ist sie letztes Jahr am 4. Juni 2021 im Alter von 96 Jahren. Ihr Wunschalter war 130 Jahre, das wollte sie immer erreichen. „Besuch mich / nicht an meinem Grab es hilft mir nicht ich bin schon / tot“, hat Friederike Mayröcker einmal geschrieben.

In ihrer Mietwohnung in der Zentagasse 16 im vierten Stock hat sie 70 Jahre gewohnt. Ein Mietshaus mit 30 Parteien, die Toilette am Gang. Die Wohnung hatte eigentlich nur ein Zimmer, in das Licht fällt. Ansonsten Dämmerung. Die Wohnung war ein Durcheinander. „Eine Höhle“, sagt sie. Sie kann sich von nichts trennen. Zwei Schränke, Regale, ein Bett, ein Schreibtisch, ein alter Flügel, auf dem sie zuletzt als Kind gespielt hat. Sie sagte, dass sie hier nie ausziehen wird. „Man gibt Heimat nicht freiwillig auf. Abschied wäre immer ein Sterben. Die größte Gewaltsamkeit: der Tod. „Der Unfug des Sterbens“, sagt sie. Die Nachbarwohnung hätte sie gern gemietet. Das wäre die Verlängerung ihrer Höhle.

 

„Ich hänge an meinem Elendsquartier
hier eine Treppe vor dem Dachboden
inmitten von Hurrikanen aus Staub und miszgünstigem Gekläffder Geruch von gekochtem Kohl steigt wie eine beklemmende Riesenpflanze
vom Erdgeschosz bis zum Dachboden…
hier kann ich weinen niemand wird mich fragen
lesen und schlafen
nachdenken und Angst haben die Kette vorlegen
mich nach einem Haustier sehnen und es gutheiszen keines zu haben
freilich am späten Abend ist es manchmal still
darin rufe ich Freunde an oder den Wetterbericht
oder ich öffne die Fenster und lasse Nacht herein
oder ich versuche einen Brief zu schreiben
oder es fällt mir etwas Vergangenes ein „

 

Mit Schriftsteller Ernst Jandl lebte sie getrennt zusammen. Sie hatte ihre Wohnung, er seine in der Oberen Augartenstraße 1-3. Jandl ein penibel ordentlicher Umgebung, ein chaotischer Pedant. Sie eine pedantische Chaotikerin. Vormittags unterrichteten Jandl und Mayröcker am BRG Waltergasse, nachmittags und abends widmeten sie sich dem Schreiben. Einmal jeder in der eigenen Wohnung, dann wieder gemeinsam, manchmal in der Zentagasse, manchmal in der Oberen Augartenstraße.

Einen Ernst Jandl Park gibt es mittlerweile in Wien. Einen Friederike Mayröcker Park (oder Gasse, oder Straße) wird es sicher auch einmal geben. Es wäre auch interessant, wie die Wohnung in der Zentagasse 16 jetzt aussieht. Das war heute morgen jedenfalls ein angenehmer Lauf durch die Stadt, nur dunkel war es ziemlich.<

 

 

 

Mein Friederike Mayröcker Lauf:

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