Der Schauspieler und Operettendarsteller Alexander Girardi hätte heute seinen 172. Geburtstag gehabt. Deshalb begab ich mich auf meinem heutigen Morgenlauf auf seine Spuren, obwohl er eigentlich in Graz geboren ist. Der Text ist zwar etwas lang, aber doch sehr spannend. Das „Lex Girardi“ schrieb Justizgeschichte.
Viele nennen ihn das Theatergenie seiner Zeit. Am 24.5.1887 sang Girardi das erste Mal auf einem Praterfest das Fiakerlied. Aber auch das kritische Wienerlied hat er den Wienern nicht erspart:
„Pfürl. di Gott du alte Zeit
Die Christen, die Türken, der Jud’und der Heid’
habn glebt mitananda in Wien lange Zeit.
In Fried und Eintracht, ka Ausnahm hats gebn,
denn jeder hats Recht doch zum Leben.
Auf d’ Gastfreundschaft warn immer stolz d’ Weanaleut,
man hat viel drauf ghalten, in der uralten Zeit.
Auf amal, ja san denn die Menschen verlorn,
is alles ganz anderster wordn.
Der eine will den nicht, der den nicht herin,
verschwunden is Friede und Eintracht in Wien.
O du alter Stefansturm
O du blauer Donaustrand, ist denn das net mehr das Wien ?
Dort wo unsere Wiege stand, von einer Gmütlichkeit ka Spur,
wo man hinschaut, sicht man nur, andere Gsichter,
andere Leut, pfürt di Gott die edle Zeit.“
Girardi war also ein Publikumsliebling, doch privat erlebte er die Hölle auf Erden. Schuld war die Liebe zu seiner Schauspielkollegin Helene Odilon, die als verführerischste Frau ihrer Zeit galt und Wiens Männerwelt den Kopf verdrehte. Girardi heiratete am 14. Mai 1893 „Wien’s gefährlichste Frau“, doch schon nach wenigen Monaten munkelte man, dass Helene Odilon ein Verhältnis mit Bankier Albert Rothschild hatte. Es folgten Eifersuchtsszenen, zuerst glaubte die Öffentlichkeit an eine normale Ehekrise. Doch Helene Odilon hatte einen Plan, der beinahe aufgegangen wäre, um ihren Mann loszuwerden. Die Schauspielerin beauftragte den be rühmten Psychiater Julius Wagner-Jauregg, den Geistes zustand ihres Mannes zu untersuchen. Der Psychiater ging zur Wohnung von Alexander Girardi, der aber nicht zuhause war.
Ohne Girardi jemals gesehen zu haben, stellte Professor Wagner-Jauregg die Diagnose, dass Girardi „vom Cocainwahn befallen, irrsinnig und gemeingefährlich“ sei und beantragte bei der Polizeidirektion dessen Einweisung in die Wiener Irrenanstalt Svetlin, die in der Leonhardgasse 3-5 gewesen ist.
Girardi wurde aber von Freunden gewarnt und befand sich bereits auf der Flucht. Er konnte lediglich zu Katharina Schratt, die engste Vertraute des Kaisers, und mit der er kurz verlobt war, fliehen. Die Polizei traute sich nicht, die Schratt Villa zu stürmen und der Kaiser ordnete die Einberufung einer ärztlichen Kommission an. „Wenn die konstatiert, dass er gesund ist, lasse ich die polizeiliche Verfügung aufheben“, sagte der Monarch, „früher nicht“. Girardi war natürlich komplett gesund.
Wie war es möglich, dass ein Mann ohne ärztliche Untersuchung für geisteskrank erklärt werden konnte? Franz Joseph verfügte mittels kaiserlicher Verordnung eine Neuregelung des Entmündigungsverfahrens, die als „Lex Girardi“ Justizgeschichte schrieb. Seit damals – und so blieb es bis heute – ist ein Gerichtsbeschluss nötig, ehe eine Person zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden kann. Helene Odilon wurde danach gemieden, die Verbindung mit Baron Rothschild ging in die Brüche und sie verbrachte ihre letzten Jahre in Armut. Alexander Girardi hingegen wurde noch populärer.
Mein Alexander Girardi Lauf