Am 64. Todestages des jüdischen Komponisten Erich Zeisl ging es an einem sehr warmen Samstagmorgen in die Heinestraße 42, wo er aufwuchs und seine Eltern Siegmund und Malvine Zeisl das Cafe Tegetthoff hatten, das dort leider nicht mehr steht. Nur mehr Stolpersteine erinnern an das Kaffeehaus und seine Besitzer.
„Das Zirkus Renz Gebäude neben dem Gymnasium (ausgerechnet dieses) ist total zerbombt. Ausser diesem fand ich nur noch den Tempel in der Tempelgasse, natürlich, und diesen nicht durch Bomben, bis auf wenige Reste der Aussenmauern dem Erdboden gleich gemacht. Aber ein Café Tegethoff gibt es nicht mehr. Café Praterstern, Schreyvogel, Dogenhof, alles da – aber kein Tegetthoff! Ich fragte viele Leute, und niemand konnte mir Auskunft geben. Alle wussten, dass es einmal irgendwo dort war! Und ich hätte mich doch so gern hineingesetzt, […] die Zeislsche Jugend in
Stellvertretung durchlebend!“
Diese Zeilen schrieb der österreichische Exilkomponist Ernst Toch (1887-1964) im Mai 1950 während eines Europa Aufenthalts von Bad Aussee an den nach Los Angeles exilierten Komponisten Freund Erich Zeisl.
In Rückschau auf Erich Zeisls Kindheit tut sich ein vom elterlichen Geschäftsbetrieb bestimmtes Familienleben auf. Als Rastpunkt für ein schillerndes Publikum wurde das Café Tegetthoff zum gern besuchten „meltingpot“ verschiedenster Identitäten. Die Lage am stark frequentierten Praterstern und die Nähe zum Nordbahnhof ließen Reisende, Schlendernde, Vergnügungssuchende oder Sonntags-Passanten zu Gästen werden. Und trotz aller Wirtschaftlichkeit spielte Musik im Hause Zeisl eine bedeutende Rolle.
Mit dem Jahr 1938 verliefen sich die Wege der Zeisl. Die Söhne emigrierten zuerst nach Paris, danach weiter in die USA. Die Eltern mussten zurück gelassen werden. Durch Korrespondenz blieb der Kontakt mit dem Vater aufrecht. Die Briefe aus Wien waren innerer Halt und brachten Information über die Situation in der Heimatstadt. Man erfuhr so auch die Todesnachricht von Mutter Kamilla, die nach schwerer Krankheit 1940 verstorben war. Ihre Schwester Malvine Feitler nahm sich danach der Familienangelegenheiten an und heiratete später Siegmund.
Hatten die Eltern Siegmund und Kamilla bis 1938 um den Erhalt des traditionsreichen Familienbetriebs gekämpft, so wurde Siegmund Zeisl mit der Arisierung und dem „Verkauf“ des Cafés um seine Existenz gebracht. Siegmund und Malvine wollen danach auch auswandern. Nach einigen Hindernissen erfuhr man vom Magistrat, dass „alles in Ordnung war“ und man sich um die Auswanderung kümmern konnte.
Siegmund Zeisl schrieb noch folgende Zeilen an seine Söhne: „Nun fahre ich doch nicht allein da ich doch die Malvine geheiratet habe u bin glücklich so eine Lösung gefunden zu haben damit ich nicht allein in der Welt bleibe trotzdem Ihr meine Kinder so sehr brav seid und [mich] auch in den letzten Jahren meines Lebens beträuen werdet. […] Ich kann früher nichts beginnen bevor ich nicht die Vorverlegung erhalte da doch das Visum wie ihr doch wissen werdet in 4 Monaten abläuft Gott gebe daß ich früher davon komme. Dann werde mit Volldampf an die Arbeit gehen u mir Alles besorgen.“
Mit den Kriegsereignissen brach aber die Korrespondenz ab. Am 14. Juli 1942 wurden Siegmund und Malvine Zeisl nach Theresienstadt deportiert, weiter ging es in das Vernichtungslager Treblinka. Von der Ermordung erfuhr Erich Zeisl erst nach Kriegsende.
Von der Ermordung seines Vaters und seiner Stiefmutter erfuhr der Komponist Erich Zeisl erst nach Kriegsende. In Reaktion auf die Todesnachricht schuf er 1944/45 mit dem Requiem Ebraico ein Mahn- und Gedenkwerk an die unzähligen Opfer des Holocaust. Erich Zeisls Herzenswunsch, nach dem Krieg wieder nach Wien zurück zu kehren, scheiterte. Das einstige Kaffeehaus-Kind der Leopoldstadt erlag 1959 im Alter von nur 53 Jahren im amerikanischen Exil einem Herzinfarkt.
Der Erich Zeisl Lauf