Monat: Februar 2024

Der Reinhard Tramontana Lauf

Knapp 12 Kilometer durch Meidling, Schönbrunn, Hietzinger Hauptstraße und über Penzing und die Mariahilfer Straße zurück. Angenehme Lauftemperaturen, aber diesmal etwas später unterwegs und da sind schon viele Autos unterwegs und auf den Gehsteigen ist es auch oft ein Slalom laufen.

Der Satiriker und Kolumnist Reinhard Tramontana wäre heute 76 Jahre alt geworden, ist aber erst 57jährig im Jahr 2005 im Kaiserin Elisabeth Spital an inneren Blutungen verstorben.

Tramontana hat seit Kindheit an zwei Welten vereint: Die bildungsbürgerliche des Hietzinger Gymnasiums Fichtnergasse, für das er ein Theaterstück schrieb. Aber auch die Welt des kleinen Füchselhofkinos des Arbeiterbezirks Meidling, wo er in der Jugend die großen Hollywoodfilme sah.

Über das Füchselhofkino schrieb er einen Text:

Das Füchselhofkino war, wohlwollend gesagt, ein Loch. Es war wie die Gasse, die ihm seinen Namen gab, schmal, finster und pickert. Es besaß kein Foyer, es hatte ein Vorzimmer, dessen Länge das Vorführzimmer um etwa zwei Sitzreihen übertraf. Die Kasse stand anderthalb Meter hinter dem Eingang, so wie eine Passkontrolle: Es konnten unmöglich zwei Menschen auf einmal an ihr vorüber.
Viele Erwachsene wollten das auch gar nicht: Da ihnen Leute, die weit herumgekommen waren, von modischen Glitzerkobeln wie dem Apollo, dem Schwedenkino oder gar dem neuen Gartenbau vorgefaselt hatten, zog es die rüstigeren Murlinger [Meidlinger] nicht just magnetisch in die derb duftende Bude – zwar offerierte das Füchselhofkino, weil das Tapfere den Meidlingern innewohnt, täglich drei Vorstellungen (4, 6, 8 Uhr), doch Verliebte brauchten durchaus nicht die letzte Reihe zu wählen, um unbeobachtet zu sein.
Aber für junge Haudegen wie unsereins war das Lochhafte sensationell: Ein gütiges Geschick, das sich einen vergesslichen Kinobesitzer auserkoren hatte, bescherte uns viermal im Jahr Im Zeichen des Zorro.
Hier, angesichts der blitzenden Degenklinge Tyrone Powers, wurde unsere Freiheitsliebe gefestigt; hier, angedenk der schwarzen Augenmaske wurzelt auch unser Bekenntnis zur Demokratie; hier, geprägt vom listigen Charme des vermeintlichen Weichlings, fundamentierte sich unser sagenhafter Erfolg bei Frauen.
Auch abgesehen davon bot das Füchselhofkino reichen Gewinn: Kein noch so rares Abenteuer des Wildwest-Schreckens Al Fuzzy St. John entging uns, und wer etwas auf sich hielt, sah Fuzzy und der Kampf um die Silbermine wenigstens dreimal. Einer der letzten Filme, die ich dort gesehen habe, ehe das Kino von einem Modegeschäft geschluckt wurde, war Dr. Seltsam – und ich weiß mich mit allen Cineasten eins, dass Peter Sellers gegen Fuzzy glatt abstank.“
( https://www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_texte_MeidlingerLichtspiele01.html )

Nachdem das Kino mit dem ersten Kinosterben 1964 zusperrte, kam ein Turek hinein, der auch heute noch drinnen ist.
Als Oscar Bronner im September 1970 das Nachrichtenmagazin „Profil“ gründete, war Reinhard Tramontana von Beginn an dabei.
Reinhard Tramontana schrieb seit 1975 jede Woche eine Kolumne mit dem Titel „Profan“. Dreißig Jahre war er jede Woche auf der vorletzten Seite des Nachrichtenmagazins mit entlarvenden Zeitanalysen präsent. In diesen dreißig Jahren war er vermutlich kaum krank. Oder er überspielte Depressionen oder Krankheiten mit anderem. Oder Alkohol.

Der Kolumnist ist noch stärker als der Tages- oder Wochenjournalist gefordert. Es wirkt nur von Außen so, dass er mehr Freiheiten hat, da er für den Inhalt seiner Seite alleinverantwortlich ist. Er kann nicht einfach zwei Monate in Urlaub fahren oder krank feiern. Ein Kolumnist ist immer da. Er fehlt nie. ( https://medienkritikwien.wordpress.com/2005/10/06/das-sterben-der-grossen-reinhard-tramontana-1948-2005/ )

Der Reinhard Tramontana Lauf:

 

 

 

 

 

Der Marisa Mell – Lauf

Die Schauspielerin Marisa Mell hätte heute ihren 85. Geburtstag gehabt, starb aber bereits 1992. Daher ging es heute nach Liesing. Beim Zurücklaufen gab es einige Hindernisse und vom Regen in der Nacht war’s ziemlich gatschig. Trotzdem war es für den Februar viel zu warm. Leider.

Die Schauspielerin Marisa Mell wurde als Marlies Theres Moitzi im obersteirischen Neumarkt geboren und wuchs als Tochter der alleinerziehenden Schulwartin Wilma Moitzi in Graz auf.

Mit 18 Jahren wurde sie ans Max-Reinhardt-Seminar aufgenommen, wo sie unter anderem Erika Pluhar, Gertraud Jesserer, Senta Berger und Heidelinde Weis kennenlernte. Marisa Mell schaffte unter der Regie von Ken Russell in „French Dressing“ den internationalen Durchbruch.

Im selben Jahr beendeten schwere Gesichtverletzungen nach einem Autounfall fast ihre Karriere. Nach ihrer fast vollkommenen Wiederherstellung ging sie nach Italien, wo sie ihre größten Erfolge feiern konnte. In der Komödie „Casanova ’70“ drehte Marisa Mell mit Marcello Mastroianni. Sie galt für viele als „österreichische Sophia Loren“ und stand unter anderem mit den damaligen Filmgrößen Marcello Mastroianni, Alain Delon, Michel Piccoli und Tony Curtis vor der Kamera.

1976 posierte die Schauspielerin für die italienische Ausgabe des „Playboy“. 1977 brachte sie ihr einziges Kind, die Tochter Louisa Erika zur Welt, die aber leider noch am Tag ihrer Geburt starb.

Meistens wurde Marisa Mell als Femme fatale besetzt. Dieses Image konnte sie nie ablegen. Nach der Rückkehr nach Wien, arbeitete sie für den ORF und spielte gelegentlich im Vienna’s English Theatre und in Graz. Marisa Mell starb 53-jährig im Wilhelminenspital an Speiseröhrenkrebs.

Der Marisa Mell – Lauf:

 

 

 

 

 

Der Joseph Ettenreich Lauf

Herrlicher Laufmorgen zur Votivkirche und über den ersten Bezirk zurück. Die Votivkirche wurde erbaut, nachdem am 18.2.1853 Kaiser Franz Joseph I. von Joseph Ettenreich und dem kaiserlichen Begleiter Oberst Maximilian Graf O’Donnell gerettet wurde. Joseph Ettenreich hatte auf seinem gewohnten Spaziergang zur Kärntnertor-Bastei beobachtet, wie der Schneidergeselle János Libényi mit einem Dolch auf den Kaiser losging.

Erzherzog Ferdinand Maximilian, der Bruder des Kaisers, rief das Volk auf, zum Dank „für die Errettung Seiner Majestät“ für den Bau eines „Doms der Völker und Nationen der Donaumonarchie“ zu spenden. Obwohl der junge Franz Joseph zu dieser Zeit nicht besonders beliebt war, leisteten 300.000 Bürger einen Beitrag.

Wer war nun Joseph Ettenreich? Joseph Ettenreich wurde als Sohn eines Gastwirts zuerst Fleischhauer und handelte danach mit Hafer, wodurch er reich wurde. Mit 45 Jahren zog er sich dann ins Privatleben zurück. Am 18.2. 1953 brach er zu seinem gewohnten Spaziergang zur Kärntner Tor Bastei auf und beobachtete, wie der wie der Schneidergeselle János Libényi mit einem Dolch auf den Kaiser losging. Er überwältigte den Schneidergesellen gemeinsam mit Graf O’Donnell.

So kam der Fleischhauer später zur Ritter-Adelung, dann zu einem Direktoren-Posten der Ersten Österreichischen Spar-Casse und nach seinem Tod zu einer eigenen Gasse in Favoriten.( https://www.stadtbekannt.at/spaziergaenge/votivkirche/ )

 

Der Joseph Ettenreich Lauf

 

 

Der Johannes Messner Lauf

Am 12. Februar vor 40 Jahren hatte der Theologe Johannes Messner seinen 40. Todestag. Heute hätte er seinen 133. Geburtstag gehabt. Daher ging’s heute morgen in die Seegasse und dann weiter über die Spiegelgasse wieder in den heimischen 6. Bezirk. Angenehme Lauftemperaturen und die Form kommt auch langsam wieder zurück.

Johannes Messner wurde in Schwaz in Tirol in eine Arbeiterfamilie geboren. 1914 wurde er zum Priester geweiht, wirkte als Kaplan in Nordtirol, wo er an der Universität Innsbruck Rechtswissenschaft studierte. 1935 wurde er Professor für Ethik und Sozialwissenschaften an der theologischen Fakultät der Universität Wien.

Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte er die Verschärfung des Klassenkampfs und den Zerfall des demokratischen Staates. Er kritisierte den liberalen Kapitalismus, aber ebenfalls den marxistischen Sozialismus, die sich beide als unfähig erwiesen, die soziale Frage der Nachkriegszeit zu lösen.

Nach der Besetzung Österreichs durch den Nationalsozialismus wurde Johannes Messner politisch verfolgt, verlor seine Professur und flüchtete in die Schweiz und später nach Großbritannien. Dadurch entzog er sich der drohenden Verhaftung.

Nach dem zweiten Weltkrieg schrieb er sein Hauptwerk über das Naturrecht. Er hat den modernen totalitären Staat kritisiert, dessen Fehlentwicklungen analysiert sowie Machtpolitik und Verletzungen der Grund- und Freiheitsrechte aufgezeigt.

Messner lebte in einer kleinen Wohnung. Der Vormittag gehörte seiner wissenschaftlichen Arbeit. Am frühen Nachmittag machte er einen längeren Spaziergang, meist am Kahlenberg oder Leopoldsberg bei Wien, pflegte soziale Kontakte, um sich dann wieder seinen Studien zu widmen. Messner war zurückhaltend gegenüber der Öffentlichkeit und der christliche Glaube war für ihn die Grundlage zur Lebensgestaltung.
( https://www.die-tagespost.de/leben/wirtschaft/johannes-messner-pionier-der-katholischen-soziallehre-art-247792 )

 

Der Johannes Messner Lauf:

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Stefan Mautner Lauf

Einige Höhenmeter nach Pötzleinsdorf zu den Mautner Villen am heutigen Morgen. Angenehme Lauftemperaturen und oben dann etwas verlaufen bis ich dann doch irgendwann den Bus gefunden habe.

Die Familie Mautner ist ein Beispiel für den ökonomischen Aufstieg, der österreichischen Juden dank der religiösen Toleranz in dr k.u.k. Monarchie möglich war. Ihr Schicksal zeigt aber auch die Folgen des Bankencrashs der 1920er Jahre und den Vernichtungsfeldzug der Nazis, die Familien, die die österreichische Wirtschaft und Kultur wesentlich bereichert hatten, ausraubten, zur Flucht zwangen und ermordeten.

Die Familie Mautner stammt ursprünglich aus Böhmen. 1867 hatte der Handweber Isaac seinen 15jähigen Sohn Isidor nach Wien geschickt, um neue Absatzmärkte für die Fabrik in Böhmen zu finden. Isidor machte seine Sache gut und 40 Jahre später war die „Österreichische Textilwerke Actien-Gesellschaft vormals Isaac Mautner & Sohn“ ein Textilimperium mit knapp 23000 Mitarbeitern an Standorten Böhmen, Ungarn, Rumänien und Niederösterreich. Dazu zählten auch die Fabriken in Trumau und Marienthal. Jene in Marienthal war nach ihrem Ende Schauplatz der großen Sozialstudie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda gewesen.
Vor dem Bankencrash und dem Vernichtsfeldzug der Nazis blühten allerdings die Geschäfte. Auch die Feste im Geymüllerschlössel sollen legendär gewesen sein.

Stefan Mautner, der heute seinen 147. Geburtstag gehabt hätte, übernahm die Geschäfte von seinem Vater Isidor, obwohl er eher an Musik und Kunst interessiert war. Während seiner Familie und auch seinen Kindern die Flucht in die USA und nach Großbritannien gelang, wählte er mit seiner Frau die Flucht nach Ungarn, wurde dort deportiert und 1944 in Auschwitz ermordert. Er ist auch der einzige, der nicht im Pötzleinsdorf rund um das Geymüllerschlössel wohnte, sonder im Cottage Viertel in der Weimarer Straße 53. Seine drei Geschwister bekamen die Villen rund um das Geymüllerschlössel. Schwester Käthy bekam als Hochzeitsgeschenk die Villa in der Khevenhüllergasse 4, die heute mehr oder weniger verfällt und sehr verwachsen ist. Konrad Mautner zog in das Haus Nummer 6 ein. Zäune gibt es nicht, sondern nur einen großen Park mit einigen Villen. Die jüngste Schwester Marie zog nach ihrer Hochzeit mit dem Regisseur Paul Kalbeck in die Starkfriedgasse 68 am oberen Ende des Mautner Besitzes. Diese Villa gibt es allerdings nicht mehr. (https://www.derstandard.at/story/2000062834907/die-versunkene-welt-der-anderen-mautners)

Der Stefan Mautner Lauf:

 

 

 

 

 

 

 

Der Jakov Lind Lauf

Noch eher gemütlich unterwegs bei meinem Morgenlauf, ging es heute bei Sonnenschein nach Kaisermühlen.

Der als Heinz Landwirth am 10.2.1927 in Wien geborene Jakov Lind wuchs im Goethehof in Kaisermühlen auf und wurde als 11jähriger Bub mit einem Kindertransport 1938 von seinen Eltern nach Holland geschickt. Zwischen November 1938 und September 1939 gelang so etwa 10000 unbegleiteten jüdischen Kindern die Flucht vor den Nationalsozialisten. Nachdem er zwei Jahre im Untergrund in Holland lebte, fiel auch dort die Wehrmacht ein.

Aus Heinz Landwirth wurde dank falscher Papiere Jan Gerrit Overbeek. Er lebte in drei verschiedenen Kinderheimen und ebenso vielen Pflegefamilien. In Gouda wurde er in einem Hachschara-Lager auf ein Pionierleben in Palästina vorbereitet, die zwei letzten Kriegsjahre verbrachte er zuerst als Knecht auf einem Bauernhof, später als Schiffsjunge auf Rheindampfern und kurz vor Kriegsende sogar als Kurier für Görings Reichsluftfahrtministerium.

Seine nächste Station, inzwischen nannte er sich Jaakov Chaklan, war Palästina, wo er im Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte. Danach arbeitete er als Strandfotograf, Orangenverkäufer, Privatdetektiv und Übersetzer, bis er 1950 über Amsterdam und Wien nach London ging, wo er unter dem Namen Jakov Lind im Sommer lebte und arbeitete. Die Wintermonate verbrachte er im Künstlerort Deià auf Mallorca.

Großes Aufsehen verursachte sein Erzählungsband „Seele aus Holz“, wo er seine Erlebnisse während der Schoa verarbeitete. Spätere Bücher, insbesondere der Roman „Landschaft in Beton“, stießen bei Publikum und Kritik auf weniger Verständnis. Denn Jakov Linds Schreibstil hatte mit anderen Stilbegriffen kaum etwas gemein, denn er bevorzugte das Grosteske, ja sogar Vulgäre – kurz, den Schwarzen Humor.

Seit Ende der 1960er Jahre war Jakov Lind kein deutschsprachiger Autor mehr und wollte das bewusst nicht sein. „Wer meine Muttersprache sieht, weiche ihr aus oder bringe sie um, oder übersetze sie in normale Sprache noch ehe man sie ausspricht“. Der Bruch mit der deutschen Sprache war es vermutlich, dass sich seine Bücher deshalb am deutschen Lesemarkt nie durchsetzen konnten, obwohl sie von Kritikern wie Reich-Ranicki immer gelobt wurden. Anders in Großbritannien und den USA.

Die Stadt Wien würdigte den Schriftsteller erst spät. 1997 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold, in der Leopoldstadt wurde eine Straße nach ihm benannt (Die Zusatztafel, auf der nur Schriftsteller und Maler steht, ist etwas mager) und den Theodor-Kramer-Preis bekam er erst 2007. Im selben Jahr starb er in London. (https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/ironie-des-ueberlebens/ )

Der Jakov Lind Lauf: